Freitag, Juni 30, 2006

Meditation unter Schafen bis 8. Juli

mache ich nicht, auch keinen WM-Endspurt, weder Körpergrillurlaub noch Kulturrallye. Dennoch bin ich eine Woche im Urlaub und werde den Blog erst wieder am 8.Juli öffnen. Es sei denn ein Internet-Café stellt sich mir in den Weg...

Mäh ! Ein philosophisches Traktat.


Quelle: inkognito. Im Schreibwarengeschäft Ihres Vertrauens

Donnerstag, Juni 29, 2006

Unterweg

Wer nicht weiß wohin er will
kann trotzdem ankommen

Wern nicht weiß woher er kommt
kann trotzdem Heimweh haben

Wer stehenbleibt
kann trotzdem vorankommen

Aber wer nicht sucht
wird selten finden

Mittwoch, Juni 28, 2006

Selbsterkenntnis mit Problembär

Herr Beinbacher hatte es akzeptiert. Es gehört zu seinem Beruf sich von seinen Kunden duzen und mit dem Vornamen anreden zu lassen. "Stefan, die Dauerwelle machst Du mir diesmal aber etwas lockerer, ja ?". Wieviele Friseure bekommen eigentlich Magengeschwüre weil sie alles devot und mit einem Scherz auf den Lippen akzeptieren müssen ?
Und dann die Gespräche ! Über den Metzger, Victoria Beckham, den unmöglichen Deutschlehrer der begabten Tochter, Frau Merkels Frisur, Klimawandel oder Günther Jauch - er hatte gelernt seine Meinung anzupassen und den Kunden recht zu geben. Aber wenn es um seine innersten Überzeugungen ging war er zu keinen Kompromissen bereit.
"Gut dass sie endlich dieses gefährliche Vieh getötet haben !" meint die Frau der er gerade Strähnchen färbt. Seine Gesichtszüge entgleiten ihm. Er nimmt den Haarschneider, meint nur "ich muss noch mal nachschneiden", und macht sich an die Arbeit. Dann platzt er heraus: "Das war ein wunderbares Tier ! Reden Sie bitte mit mehr Respekt von ihm. Und das war Mord !".
Die Frau ist völlig konsterniert und widerspricht "aber so ein Bär ist doch gefährlich. Und was machst Du da überhaupt ?".
Herr Beinbacher ist völlig in seinem Element, färbt gerade mit grüner Farbe auf ihrem Kopf herum und ruft: "Wer den Tod von Bruno befürwortet will auch Menschen töten die illegal über die Grenze kommen !".
Die Kundin springt auf und betrachet sich fassungslos im Spiegel. Von vorne gesehen hat sie weiterhin ihre schulterlange Frisur, aber die Haare am Hinterkopf sind auf wenige Milimeter geschoren, und in Grün sind die Worte "Achtung Rassist" eingefärbt. Ihr kullern erste Tränen über die Wangen, aber ihre Wut ist stärker und sie schreit den im Moment selbstzufriedenen Friseur an: "Wer ungebeten Haare abschneidet unterstützt auch Organraub in Entwicklungsländern".
Herr Beinbacher ist sprachlos. Da hat ihn jemand mit seiner Spezialwaffe, den übertriebenen Gleichnissen geschlagen. Und je mehr er darüber nachdenkt desto weniger kann er widersprechen.
Mit einer schwarz gefärbten Kurzhaarfrisur rettet er das Seelenheil seiner Kundin. Und beschliesst an seinem eigenen zu arbeiten. Nichtsdestotrotz hängt er die in der Mittagspause erworbene Bruno-Fahne ins Schaufenster.

Dienstag, Juni 27, 2006

Die Wettervorhersage: Im Süden Deutschlands Pastis

Das Thermometer steigt unentwegt. Natürlich nicht das Thermometer sondern die Quecksilbersäule. Die natürlich nicht aus Quecksilber sondern aus gefärbtem Alkohol besteht. Genaugenommen steigt aufgrund der volumenmässigen Ausdehnung der Flüssigkeit das obere Ende der Alkoholsäule, also die Oberfläche. Bei einer Flüssigkeit nennt man die Spiegel. Kurz gesagt: Der Alkoholspiegel steigt. Die Temperatur wird nun an einer Skala für die Höhe des Spiegels gemessen. Im Fachterminus ist das also der Alkoholpegel.
Bei Temperaturen über 30 Grad herrscht Hochalkohol. Nicht zu verwechseln mit Hochprozentigem.

Montag, Juni 26, 2006

Bedrohte Tierarten (Teil 2): Der Eiskaffeebär

Nicht einmal vielen Tierfreunden ist dieser sympathische Pelzträger aus der Familie der Bären (ursidae) bekannt: Der Eiskaffeebär (ursus glacies) wird wegen seiner braunen Färbung oft mit Braunbären oder anderen Verwandten verwechselt. Diese Art hat aber viele Besonderheiten die ihn zu einem sehr interessanten Vertreter seiner Familie machen.
Das Verbreitungsgebiet des Eiskaffeebären ist Mittel-, Süd- und Osteuropa. Wie seine anderen europäischen Verwandten lebt er nur noch in wenigen Rückzugsgebieten und ist durch die weitere Ausbreitung des Tourismus und fortlaufenden Zersiedelung der Landschaft in seiner Existenz bedroht. Der Eiskaffeebär hält einen sehr langen Winterschlaf, der von November bis April andauert, und aus dem er nur alle vier Wochen zur Nahrungsaufnahme erwacht. Um für diese lange Ruhephase gerüstet zu sein muss sich dieses Tier einen sehr großen und kalorienreichen Nahrungsvorrat ansammeln sowie sich selber einen ausreichenden Winterspeck anfressen. Kurz vor Beginn des Winterschlafs torkeln die Eiskaffeebären wegen ihrer bis dahin erworbenen enormen Korperfülle und dem fast auf dem Boden schleifenden Bauch nur noch sehr unbeholfen voran. Um den hohen Kalorienbedarf decken zu können hat sich der Eiskaffebär auf Honig und Zuckerrüben spezialisiert. Durch den zunehmenden Kontakt mit den Menschen hat er auch Geschmack an Backwaren und insbesondere an Eis gefunden. In abseits gelegenen slowenischen Dörfern sind im Sommer von diesen Bären geplünderte Tiefkühltruhen an der Tagesordnung. Es wurde auch schon über das Eindringen von ganzen Bärenfanilien in Supermärkte und das komplette Verzerren sowie Abtransportieren der dortigen Eis- und Tiefkühltortenvorräte berichtet.
Ihren Namen haben diese geschmackssicheren Bären wegen einer anderen Vorliebe bekommen: Die Eiskaffeebären lieben auch Kaffee. Vom Kaffeegeruch angezogen versuchen sie mit großer Hingabe und Ausdauer die Quelle dieser Wohlgerüche zu erreichen. In den Verbreitungsgebieten der Eiskaffeebären wird daher eindringlich vor der Zubereitung von Kaffee in Zelten, Wohnmobilen und auch in Ferienwohnungen gewarnt. Nach langem Kaffeeentzug werden die Bären auch von Instant-Kaffee angelockt.
Da der Kaffee natürlich zu heiss für Bären ist haben sie eine spezielle Technik entwickelt: Sie bringen etwas von dem in tiefen Erdhöhlen gelagerten oder frisch beschafften Speiseeis mit und schütten den Kaffee auf das Eis, um dann das gut temperierte Gemisch zu verspeisen. Verschiedene Forscher sind der Meinung das der Eiskaffee von einem italienischen Gastronom erfunden wurde, der von den damals noch in den Apenninen vorkommenden Eiskaffeebären inspiriert worden ist.
Der Eiskaffeebär stellt somit eine wissenschaftlich sehr interessante Art dar, die sich auf faszinierende Weise von ihrem Geschmack und ihren Vorlieben leiten lässt. Er hat sich in seiner Wachphase gut dem veränderten Lebensraum angepasst, wegen der zunehmenden Störung in der Ruhephase ist sein Fortbestand allerdings fraglich.
Wer jemals eine schon gut genährte Bärenfamilie durch ein Eiskaffee hat torkeln sehen und gerade den putzigen kugelrunden Jungbären beim Verzehr des Eis zugeschaut hat, über das ihre Mutter die aus der Vorratskammer geholten Kaffebohnen streut, wird verstehen, dass die EU zum Schutz dieser Tierart eine grössere Summe bereitgestellt hat.

Donnerstag, Juni 22, 2006

Kleines Sommerloch bis einschliesslich 25.6.

Schon wieder legt dieser Blog eine diesmal angekündigte Pause ein. Weitere werden folgen...

Das Schreiben und das Lesen

Der Füller senkt sich auf das Papier. Die Spitze berührt die aus der Nähe betrachtet gar nicht mehr glatte Oberfläche. Die Hand erhöht den Druck. Die zwei spiegelsymmetrischen Teile der Feder spreizen sich leicht. Übereifrige Papierfasern beginnen an der Tinte zu saugen. Langsam beginnt der blaue Strom zu fließen. Während die Hand des Schriftstellers den Füller für das letzte Wort des Romans über das Papier führt.
Wolken.
Der Füller seufzt tief. Schon lange hat ihn keines seiner Werke so berührt. Er läßt sich nun gerne den Deckel aufsetzen und auf die Schreibtischunterlage legen. Durch das Fenster blickt er den Himmel an. Bücher können Leben ändern. Jetzt spürt er es.

Mittwoch, Juni 21, 2006

Die Macht des geschriebenen Wortes

"Nur was in der Zeitung steht ist wirklich passiert" hatte sich der Baumeister Sepp am Stammtisch ereifert. "Oder was im Fernsehen gezeigt wird" hatte der Gschwendner Michi ergänzt. Umd dem Baumeister Sepp sein bester Freund, der Xaver, fasste es treffend zusammen: "Unser Projekt wird nie bekannt, wenn wir es nicht in unseren Stadtnachrichten unterbringen".
Dieses hatte der Alois, dem Wirt sein Bub, genau gehört, während er am Nachbartisch seine Hausaufgaben machte. Und so nahm er sich am nächsten Morgen die Zeitung und begann mit seiner krakeligen Erstklässerschrift alles über das Projekt auf die Zeitung zu schreiben was er verstanden hatte: "Der Bichler Toni war ein guter Mensch. Der Xaver sagt immer ich werde wohl mal so wie der. Daher muss er einen Brunnen bekommen.".
Und Alois wusste dann als einziger in der Kleinstadt wieso der Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung überraschend Geld für einen Brunnen zu Ehren des berüchtigten Schwarzbrenners Toni Bichler bereitstellte, der beharrlich allen königlichen Anordnungen getrotzt und mehrere Jahre wegen Wilderei und anderer Vergehen im Gefängnis gesessen war.
Und die Stadt bekam ihre fünf Minuten im Rampenlicht, RTL, Sat1 und alle anderen filmten den Stammtisch mit Maßkrügen und Schweinsbraten, da die sonst dort auch zu findenden Salate oder Apfelschorle nicht zur eigentlichen Botschaft dieser Sender über ein hinterwäldlerisches Dorf in Bayern passten. Das nahmen die Freunde aber hin, schließlich hatten sie sich dafür gut von den Sendern bezahlen lassen. Sie planten bereits das nächste Projekt das sie mit diesem Geldsegen finanzieren wollten.

Dienstag, Juni 20, 2006

Lasst uns die Weltuhr bremsen

Manchmal ging es Herrn Kämmerle einfach zu schnell. War die Welt wirklich so schnelllebig geworden ? Er setzte sich auf die Bank an der Bushaltestelle und schnaufte tief durch. War er vielleicht einfach langsamer geworden ? Aber dieses Gefühl hatte er nicht. Hat sich dann seine Zeit von der Welt abgekoppelt ? Das muss es sein ! Bei der Geburt ist die Zeit jedes Menschen mit der Weltzeit synchronisiert. Und dann läuft die Uhr eines jeden Menschen, gesteuert durch die biologischen Vorgänge im Körper. Oder doch eher durch die seelischen ? Herr Kämmerle konnte sich an Zeiten zurückerinnern, wo ihm die Weltuhr zu langsam ging, wo er immer mehrere Schritte voraus war. Damals als er nach dem Krieg seine Firma gegründet hat, sich mit Behörden herumschlagen musste. Aber jetzt war seine Uhr durch das Alter gebremst. Oder durch seine Erfahrung. Oder seine Lebensweisheit.
Aber ist das wirklich so ? Seine Uhr geht eindeutig langsamer als die der restlichen Welt. Zumindest des Teils der Welt der den Grundrythmus vorgibt. Aber wer bestimmte das eigentlich ? Gibt es diese Weltzeituhr wirklich ? Warum haben die Schnellen eigentlich immer recht ? Doch nur weil sich die Menschen mit den langsameren Uhren im Unrecht fühlen, sich im Hintergrund halten. Aber dafür gibt es doch eigentlich keinen Grund. Die Weltzeituhr existiert nicht, sie ist der Durchschnitt aller Uhren. Da kann man also korrigierend eingreifen.
Und Herr Kämmerle durchströmte wieder dieses Gefühl eine Aufgabe zu haben, etwas anpacken zu müssen. Am Anfang von etwas großartigem zu sehen. Er stand auf, umfasste fest seinen Spazierstock und begann langsam die vierspurige Strasse zu überqueren. Während er den Verkehr auf dem City-Ring kurzzeitig zum Erliegen brachte glaubte er es schon zu spüren: Die Weltuhr war kurz aus dem Takt geraten.

Montag, Juni 19, 2006

Sind die Angestellten Opportunisten bleibt Schneewittchen zuhause

"Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land" fragt die Königin ihren Spiegel.
"Das ist wieder eine zu unpräzise Frage ! Nach welchen Maßstäben schön, Ihre Majestät ?"
"Nach Schönheit natürlich" fährt die Königin den Spiegel an. "Und ihre Ausdrucksweise empfinde ich als unbotsmäßig."
Dieser seufzt tief. Warum muss er ausgerechnet in diesem Ankleidezimmer hängen. "Schönheit ist zutiefst subjektiv und vom kulturellen Umfeld geprägt. Denken Sie an die fülligen Frauen bei Rubens, tellergrosse Lippen bei einem afrikanischem Stamm oder Piercings, meine verehrte Königin."
"Ich meine natürlich den aktuellen hier gültigen Maßstab".
Der Spiegel überlegt wie er diese Diskussion möglichst schnell beenden kann. "Claudia Schiffer" antwortet er, obwohl er nicht verstehen kann was an der so besonders sein soll.
"Das klang aber nicht so überzeugt" hakt die Königin ein.
"Es ist ja auch nicht meine persönliche Meinung gefragt, sondern die allgemeine" erwidert der Spiegel.
"Und Deine persönliche Meinung ?"
"Emannuelle Béart" seufzt der Spiegel und beginnt kaum wahrnehmbar heller zu reflektieren, fast von alleine zu leuchten.
"Gut" sagt die Königin die sich nicht anmerken lassen will dass ihr dieser Name gar nichts sagt. "Und wer ist die Klügste ?"
"Das sind natürlich Sie" strahlt sie der Spiegel an, denn er weiss was von ihm verlangt wird, und für was er bezahlt wird.

Montag, Juni 12, 2006

Ampeltherapie

Frau Schillinger klopft nervös mit den Händen auf das Lenkrad. Sie ist mal wieder spät dran. Heute muss Sie noch in fünf weiteren Supermärkten bei den Marktleitern für die streichfähige Rauchwurst werben. "Eckersmühler Räuchermett. Eine Spezialität aus der Pfalz. Nach altem Rezept hergestellt, jetzt zusätzlich mit Altyzell Plus für die perfekte Haut. Wir werben für dieses Produkt ab Mittwoch bei Wer wird Millionär, Sie können sich also auf einen Kundenansturm einstellen" zwitschert sie ihren Rückspiegel an. "Ich hasse es" bricht es da aus ihr heraus, und sie brüllt Richtung Ampel: "Jetzt werde endlich Grün, Du tyrannische Missgeburt !". Die Ampel wechselt die Farbe, aber nicht etwa auf grün. Vielmehr wandelt sich das Rot in ein Blau, die Ampel räuspert sich vernehmlich, beugt sich zum Corsa von Frau Schillinger herunter, blickt sie durch die Windschutzscheibe an und erwidert betont langsam: "Ich mache hier eine tadellose Arbeit. Wenn ich nicht wäre, gäbe es endlose Blockaden oder sogar Unfälle. Das ist Dienstleistung. Und außerdem bin ich eine nagelneue LED-Ampel, ich gehöre also zur Elite". Frau Schillinger läßt ihrer Wut freien Lauf und verschwendet daher keinen Gedanken daran wieso eine Ampel mir ihr diskutiert. "Sie stehen hier den ganzen Tag herum und machen einen auf bunte Lichtchen. Aber ich stehe unter Druck ! Ich muss Bestellungen für mindestens 1000 Räuchermett aufnehmen, sonst bin ich meinen Job los. Also machen Sie endlich Grün !" "Wenn Sie ihre Kunden auch so anschreien werden Sie keine Wurst verkaufen." bemerkt die Ampel und wechselt zurück zu Rot. "Jetzt schauen Sie mich mal genau an, und atmen Sie tief durch. Eins und Zwei und Eins und Zwei". Und die Ampel beginnt hypnotische Farbwechsel anzuzeigen, mit kurz eingeblendeten Botschaften wie "Ruhe" oder "langsamer Herzschlag". Frau Schillinger sinkt in den Sitz zurück, die Atmung wird ruhiger, der ganze Körper entkrampft sich. "Und jetzt versuchen Sie es mal einfach mit Ruhe" rät ihr die Ampel und zeigt ihr ein grünes Lächeln.
Als Frau Schillinger einen Monat später als Vertreterin des Monats bei der Heinz Kammermann Nahrungsmittel GmbH & Co KG ausgezeichnet wird weiß nur Sie dass ihr Ampelmännchen T-Shirt nichts mit Ostalgie zu tun hat.

Sonntag, Juni 11, 2006

Vollmond

Der Mond scheint hell über der Stadt. Eine Sommernacht. Der Himmel ist absolut wolkenlos, selbst von der Stadt aus sind vereinzelte Sterne zu erkennen. Ich stehe auf dem Balkon und lasse meinen Blick über die vereinzelt noch erleuchteten Fenster der Nachbarhäuser gleiten, über die Hügel die die Stadt umgeben und wie eine Modellbahn-Landschaft mit Häusern übersät sind. Auf der engen Straße fährt ein einsamer Radfahrer die leichte Steigung hoch. Sonst herrscht Ruhe, nur in der Entfernung ist das vereinzelte Brummen von Autos zu hören.
Ich blicke zum Mond auf. Der alte Weise hat schon viel gesehen und erlebt. Aber unerschütterlich erscheint er immer wieder. Er müsste mir eigentlich weiterhelfen können. Bei den richtig großen Fragen. Ich schaue ihn fragend an.

Donnerstag, Juni 08, 2006

Das wortkarge Handy

Stefan klickte sich durch das Menü seines Handy während er durch die Fußgängerzone schlendert. Kurz überlegte er wie dieses Telefon wohl heißen könnte, schließlich stammt es aus Finnland. Finnland - da drängt sich ihm sofort der Name Matti Pellonpää auf. Sein Handy als Reinkarnation dieses wunderbaren Schauspielers. "Ich darf Dich doch sicher duzen, Matti" flüstert Stefan und ist beim Menüeintrag "Persönlichkeit aktivieren" gelandet. Denn hatte er zuvor noch nie gesehen. Er wählt den Punkt mit Ok an.
Wenig später klingelt sein Handy mit einem schwermütigen Tango - Stefan braucht lange um zu kapieren dass sein Handy diese Melodie von sich gibt. Er nimmt den Anruf eines Freundes entgegen, nach kurzer Zeit bricht das Gespräch ab, das Display zeigt die Meldung "maximale Wortanzahl überschritten" um dann nur noch sehr langsam auf Tastendrücke zu reagieren. Stefan sucht irritiert einen Handyladen auf, in der Fußgängerzone ist der nächste Laden zum Glück nie weit entfernt. Auf seine Frage nach der Persönlichkeits-Einstellung erntet er nur fragende Blicke, und er kann den Menüpunkt auch nach verzweifeltem Durchklicken nicht mehr wiederfinden.
Nach einer Woche mit dem seltsam transformierten Handy wird ihm langsam klar: Durch die Taufe und der so aktivierten Reinkarnation hat sich sein Handy in eine von Matti Pellonpää gespielte Figur aus einem Kaurismäki-Film verwandelt.

Die beste Nachricht vom Festival aus Cannes: Aki Kaurismäki hat seinen neuen Film "Lights in the Dusk" vorgestellt.

Mittwoch, Juni 07, 2006

Sein Name sei Sir Einzelfall

Die Mutter hält erschöpft aber freudestrahlend ihren neugeborenen Sohn in den Armen, der Vater hat inzwischen wieder etwas Farbe im Gesicht und flüstert mit verkrampftem Lächeln: "Da ist er also, unser Hahde Tefau".
"Was soll das denn für ein Name sein" empört sich die Krankenschwester. "Wie wäre es denn mit Empedrei oder Bete Faube ?"
"Wir haben uns in der Fernsehabteilung vom Mediamarkt kennengelernt, und in der Nacht ist es dann schon passiert" verteidigt sich der Vater.
"Wollen Sie Ihr Kind nicht vielleicht lieber nach einem Menschen nennen den sie sehr schätzen ?" schlägt der Arzt vor während er nochmal den Puls der Mutter misst.
"Pilawa" strahlt die Mutter. "Kaiser" widerspricht der Vater.
"'Mein Gott" empört sich die resolute Schwester. "Wollten Sie mit so einem Namen herumlaufen ? Können Sie nicht einfach einen echten Vornamen nehmen, egal welchen ?"
"Irgendeinen Namen ! Unser Kind ist etwas ganz besonderes. Er ist einmalig."
"Gut" mischt sich der Arzt wieder ein. "Dann bleiben wir doch bei den besonderen Menschen. Überlegen Sie doch mal welchen Menschen sie als Glücksfall empfinden".
"Madame Einzelfall ! Diese Mischung aus universeller kultureller Bildung alteuropäischer Prägung, Weltläufigkeit, gleichzeitig immer am Puls der Zeit, ein starker Charakter, kombiniert mit Humor, Phantasie, Lebendigkeit und überwältigender Ausstrahlung" sinniert der Vater.
"Genau ! So soll unser Sohn werden. Um das werde ich mich bei der Erziehung bemühen. Daher müssen wir ihn Sir Einzelfall nennen" pflichtet die Mutter bei.
"Das ist der postnatale Stress. Das ist ja schlimmer als alle bisherigen Vorschläge" ereifert sich die Krankenschwester.
"Was halten Sie von Thomas" schiebt der Arzt vorsichtig ein.
Der Vater ergreift stolz die Hand seiner Frau. "Es steht fest. Unser Sohn wird auf Sir Einzelfall getauft werden".

Dienstag, Juni 06, 2006

Erst Autos zerknüllen, dann die Weltherrschaft

Jeden Morgen stand Dr. jur. Matrin Streiter an der Fußgängerampel und wartete auf Grün, um dann seinen Weg zur Kanzlei fortsetzen zu können. Normalerweise gingen ihm jetzt kurz nach dem gemeinsamen Frühstück mit seiner Frau und seinen beiden Kindern bereits die anstehenden Fälle des Tages durch den Kopf, er formulierte erste Plädoyers.
Aber gestern war er im Kino gewesen, in X-Men 3. Das darf er natürlich keinem seiner Kollegen verraten. Ein Film ohne Logik und tieferem Sinn. Aber gerade dadurch so unterhaltsam.
Schnell trat er bei Rot auf die Fahrbahn, blickte streng in Richtung des sich hupend nähernden Fahrzeugs und versuchte mit ausladenden Armbewegungen das Auto durch seine Magnetkräfte wie ein Blatt Papier zu zerknüllen. Als das Auto mit quietschenden Reifen dauerhupend vor ihm stehenblieb rief er laut: Mit meinen Kräften werde ich alles aufhalten !
Da wurde es Grün, die Fußgänger gingen kopfschüttelnd und mit abschätzigen Blicken an ihm vorbei, der Autofahrer überhäufte ihn durch das heruntergelassene Fenster mit nicht druckreifen Ausdrücken. Dr. jur. Martin Streiter setzte seinen Weg in die Kanzlei fort. Wehe dem der ihm heute auf seinem langen Weg zur Weltherrschaft in die Quere kommt !

Montag, Juni 05, 2006

Wochenend und Melodeien...

Hinter mir liegt ein musikerfülltes Wochenende bei Rock im Park. Breiten wir den Mantel des wohlwollenden Schweigens über Dixi-Klos, besoffene Jugendliche, Müllberge und ähnliches. Denn was zählt ist etwas ganz anders.

  • Mein Höhepunkt
    Ich habe die Smiths erst mit ihrem letzten Album 1987 kennengelernt, und bin seitdem zu einem Verehren dieser Gruppe sowie ihres Sängers Morrissey geworden, der nach dem Ende der Smiths inzwischen circa 8 Tonträger veröffentlicht hat. Und diese lebende Legende habe ich jetzt das erstemal live gesehen ! Leider nur eine Stunde, aber für mich ein großartiges Konzerterlebnis. Tolle Musik, umwerfendes Charisma, und 3 Smiths-Songs.
  • Genial wie erwartet
    Hierunter fällt das Konzert von Depeche Mode, die wenig (ur)altes spielten, sowie Tomte zu denen ich mich bekenne.
  • Entdeckungen
    Das interessante an Festivals ist es ja für einen unbekannte Gruppen zu entdecken. Favorit unter den Neuentdeckungen sind die Dresden Dolls, ein Schlagzeuger und eine Sängerin am (digitalen) Klavier, die mit ihrem eigenen Stil nicht nur mich sondern das ganze Publikum begeistert haben. Dann das geniale Kaizers Orchestra mit witziger Bühnenshow und mitreissender Musik (auf Norwegisch). Und die Babyshambles sind trotz etwas verwirrt wirkendem Sänger und dem ganzen Medienrummel um seine Drogensucht (und vor allem die Beziehung zu Kate Moss) eine sehr gute Liveband.
  • Neu und interessant
    Gute Konzerte boten die Gruppen Kaiser Chiefs, The Editors, Juliette & The Licks (Juliette Lewis aus z.B. Gilbert Grape), The Streets, Keane, Art Brut, ...
  • Durchschnitt bis Enttäuschung
    Die Sportfreunde Stiller habe ich schon besser erlebt, und Placebo boten wieder eine gute Show und tollen Sound, haben mich dieses Mal irgendwie nicht so mitgerissen. Von Franz Ferdinand war ich eher enttäuscht. Ist aber auch nicht ganz mein Geschmack. Auch die aktuelle Musik der Mod-Legende Paul Weller war nicht so mein Fall.
  • Nicht gesehen
    Es war viel für harte Jungs (und Mädels) geboten: Tool, Korn, Metallica und andere die aber nicht in meinen Musikgeschmack passen und an deren Stelle ich lieber unbekanntereGruppen angehört habe.

Im ganzen ein wunderbares Pfingsten mit einigen musikalischen Neuentdeckungen.

Donnerstag, Juni 01, 2006

Die Farbfee ist im Ruhestand

Die Farbfee wippte zufrieden in ihrem Schaukelstuhl und zog die Wolldecke dicht um sich. Ihr Lebenwerk war schon lange vollbracht. Als sie vor 150 Jahren damit anfing der Welt bunte Farberlebnisse zu schenken gab es viel zu tun. Die beginnende Industrialisierung brachte das Grau in die Welt, das Entfärben ganzer Landstriche.
Da fing sie an bei Arbeiterfamilien aufzutauchen. Mit bunten Tüchern, einzelnen hervorgezauberten Blumen oder einem bunten Spielzeug brachte sie Farbe und Freude in das Leben. Und mir der Zeit lernten die Menschen das Bunte wieder zu schätzen und sorgten selber für immer mehr Farbe, ihre Auftritte wurden nicht mehr geschätzt.
Natürlich gab es immer wieder Sonderfälle. Auf ihre alten Tage hatte die Fee im Osten Deutschland nochmal so richtig viel Arbeit um ganze entfärbte Landstriche wieder zu beleben und mit der Farbe Hoffnung zu geben.
Aber jetzt war nicht mehr viel zu tun. Es gab nicht mehr genug Arbeit für eine Vollzeitstelle als Farbfee, das Einfärben hatte die Duftfee mit übernommen, und die war ja mit ihrer eigentlichen Aufgabe völlig überlastet. Die konnte mit einzelnen duftenden Blumen oder einem frischen Luftzug noch ganz einfach glückliche Gesichter zaubern.
Die Farbfee seufzte und schwelgte weiter in ihrem Bildband über englische Gärten. Das war immer ihr Hobby gewesen - und die Chelsea Flower Show ist eine einzige Hommage an ihr Lebenswerk.