Montag, Juli 31, 2006

Sonntagsfrühstück-Eloge

Sonntag morgen. Eine seltsame Zeit dachte sich Herr Paulsen. Ist das noch die Mitte vom Wochenende, oder bereits die Endphase, das letzte Aufbäumen ?
Als er noch jung war und der Samstag erst richtig begann als er laut Uhr schon vorbei war, da war sein Sonntag morgen natürlich schon ziemlich spät am Wochenende. Als einen Zeitsprung später seine Kinder noch kleiner waren, da war Sonntag morgen der Beginn eines anstrengenden aber ausgefüllten Tages, an dem er vom erwartungsvollen Nachwuchs früh geweckt wurde, und er sich einen spannenden Tag lang von der Energie und den Ideen inspirieren ließ.
Und jetzt - seitdem er geschieden war war Sonntag schon eher das lange Ende, das unerbittliche Nahen des Montags.
An diesem Sommer-Sonntag bekamm er plötzlich die Inspiration frühstücken zu gehen. Er konnte sich das nicht erklären, und hatte es schon ewig nicht mehr getan. Und als er eine Stunde später in einem Hinterhof in der Sonne saß, den größten Teil des Fitness-Frühstücks verspeist hatte (wer denkt sich diese Namen aus hatte er sich beim Studium der Speisekarte gedacht, und wer braucht diese modischen Zutaten), ein Schluck von seinem Milchkaffee nahm, die Leute um sich beobachtete und etwas weiter in der Sonntagszeitung las, wurde ihm klar daß dies der Hauptteil und Höhepunkt vom ganzen Wochenende war.
"Habe ich es doch gewußt" erklang eine triumphierende Stimme. "Ähh ?" brachte Herr Paulsen hervor, schaute um sich, aber konnte niemanden entdecken. "Sonntag morgen ist doch etwas herrliches. Der eigentliche Sinn der Woche."
"Wo sind Sie ? Was soll das ?" flüsterte Herr Paulsen etwas irritiert und schaute unter dem Tisch nach.
"Ich bin der Sonntag-Morgen Fee, und habe heute die Gestalt des Bircher Müsli angenommen. Mein Sonntagskleid" erwiderte die Stimme, und prustete los, so begeistert war er über seinen Scherz.
"Das heißt DIE Fee, und die gibt es nicht, und ich will mein Frühstück geniessen".
"Aber, aber ! Es geht genau darum den Sonntag morgen zu geniessen. Deswegen habe ich Dir doch heute morgen die Idee mit dem Frühstück gegeben. Und ich bin eine männliche Fee."
Herr Paulsen hatte sich überzeugt dass die Stimme wirklich aus dem Müsli kam, hat dabei vergebens darin herumgerührt, gar nicht bemerkt dass der Fee zum Du gewechselt war und meinte dann: "Eine männliche Fee. Das sieht dann aber ziemlich tuntig aus, mit rosa Kleidchen, Lachschühchen..."
"Hahaha" meinte die Fee. "Ich bin hier nicht auf dem CSD. Aber wenn Du nicht willst dann werde ich dafür sorgen daß Du Sonntag wieder schlechte Laune hast".
"Nein. Sei doch bitte nicht gleich beleidigt. Ich fühle mich ja richtig gut hier. Ich genieße den Tag. Ich könnte fast sagen ich bin glücklich."
"Sonntagsfrühstück. Glücklich sein im hier und jetzt. Darum geht es, das ist meine Berufung".
"Ich würde Dich dann aber doch mal richtig sehen".
"OK, dann verschwinde ich und komme dann gleich in den Hof. Und nur für Dich in etwas was ich noch nie getragen habe".
Das Müsli sackte etwas ein, und Herr Paulsen schaute gespannt zur Eingangstor zum Innenhof. Kurz später trat eine sehr große Frau in rosa Kleid, Lackschuhen, Schleifchen im Haar in den Hof. Als sie zielstrebig auf Herrn Paulsen zusteuerte verstummten die Gespräche, denn aus der Nähe war gut zu erkennen daß da ein Mann zum Frühstücken gekommen ist.

Freitag, Juli 28, 2006

No Sympathie for the EnBW


Nach Erhalt dieser Rechnung überkam mich fast Sympathie für das Energieversorgungsunternehmen mit dem mir sehr unsympathischen Vostandsvorsitzenden Herrn C. Nur 17 Cent für 2 Tage Strom ! Und dann noch auf das Geld komplett verzichten. Großmut ! Gönnertum !
Bis mir klar wurde: Die Oberkapitalisten haben sicherlich genau berechnet dass ihre Verwaltungskosten für den Zahlungseingang höher gewesen wären als die Summe.

Ich bin jetzt bei Lichtblick.

Donnerstag, Juli 27, 2006

Magie im Alltag (1): Die Wiederholer

Auch heute leben noch viele magische und mythische Menschen mit besonderen Begabungen mitten unter uns. Nur heutzutage sind sie nicht mehr so einfach zu erkennen wie in den fernen Zeiten zu denen ein spitzer Hut, ein glitzerndes Kleid und ein funkensprühender Stab oder eine Katze auf der Schulter als Berufskleidung völlig üblich waren. Heute haben diese Leute Angst sich mit so einer Kleidung lächerlich zu machen, abgesehen von dem schweren Stand eines wirklich magischen und nicht esoterischen Berufes in der heutigen rationalen Welt der Zweifler.
Daher erkennt man jetzt auch die Wiederholer nicht mehr. Diese können Menschen dazu bringen einen gewissen Zeitabschnitt nochmal zu erleben. Physiker haben bisher vergeblich versucht dieses Phänomen zu ergründen - ein lokales Wurnloch ? Zeitkrümming in Zimmergröße ? Negative Gravitationskonstante in einer Möbiusschleife ? - aber das verhindert nicht das es funktioniert.
Die Könner unter den Wiederholern holen erst nach langer Zeit einen Abschnitt aus der Vergangenheit wieder hoch - die sogenannten Déjàvuteure - während die Anfänger Menschen unverhofft in eine Zeitschleife stecken.
Die Künstler unter ihnen beschallen die eingefangene Szene dann noch mit passender Musik, die sich wie eine Schallplatte mit Sprung immer wiederholt.

Inspiriert durch den Film "Absolute Giganten" von 1999.

Mittwoch, Juli 26, 2006

Geld mit nichts in der Mitte

Warum gibt es Münzen mit Loch in der Mitte ?
  • Damit man sein Kleingeld als Kette um den Hals tragen kann, ähnlich den Geldschnüren aus Kaurischnecken
  • Um die Nichtigkeit allen monetären Besitzes zu zeigen
  • Um Touristen zu erfreuen
  • Um die Phantasie anzuregen
  • Um als Unterlegscheibe bei Fahrradreparaturen immer schnell zur Hand zu sein
  • Um als Glücksbringer in Portemonnais zu landen

Liegt hierin der eigentlich Grund warum die Dänen den Euro abgelehnt haben ?

Dienstag, Juli 25, 2006

An der Sonne drehen

30 Grad im Schatten. Die Sonne brennt erbarmungslos auf die Kleinstadt Saalfelden. Wie ein Heizstrahler, gegen Rheuma eingesetzt. Philipp denkt sich "es reicht". Wenn Mutti keine Rückenschmerzen mehr hat, stellt sie den Heizstrahler wieder ab. Und die Erde hat sicher keine Rückenschmerzen mehr, es ist ja auch nicht Winter. Da bedeckt Schnee die hohen Gipfel und unzählige Skifahrer rasen wie Ungeziefer über die Bergrücken.
Es ist Zeit die Sonne schwächer zu stellen. Aber wo ist der Schalter ? Im Sachkundeunterricht hat er nichts darüber gelernt. Und seine Lehrerin Frau Haug mag seine vielen Fragen nicht. Er hat schon bemerkt - sie weiß wirklich nicht viel !
Aber im Rathaus, da werden die wichtigen Dinge entschieden. Hat Frau Haug gesagt. Also bestimmen die auch das Wetter.
Kurzentschlossen macht sich Philipp auf den Weg. Erwachsene geben höflichen Kindern gerne Auskunft, daher findet Philipp ohne Probleme den Weg zum malerischen Rathaus.
Er schleicht etwas durch die Gänge, bis ihn ein vorbeikommender Angestellter anspricht: "Suchst Du Deine Mami ?".
Philipp schluckt seinen Ärger über diese lächerliche Anrede herunter und sagt "ich möchte wissen wo der Bürgermeister entscheidet".
"Dann zeige ich Dir den Sitzungssaal" antwortet der Angestellte, geht mit Philipp in das nächste Stockwerk und führt ihn in den kleinen Sitzungsraum.
Philipp erkennt sofort den prominenten Sitzplatz und nimmt darauf Platz. Hinter ihm an der Wand ist eine Schaltkonsole mit Digitalanzeige. An einem Drehknopf steht Saalbeleuchtung. Philipp strahlt. Eine Beschriftung "Saalfeldenbeleuchtung" hätte da einfach nicht mehr hingepasst. Er dreht vorsichtig. Eine Wolke schiebt sich vor die Sonne.

Montag, Juli 24, 2006

Ein Sommerabend auf dem Balkon

Das Licht schlängelt sich um die Dächer. Vögel ganz hoch am Himmel. Mauersegler, keine Schwalben sagte ein Bekannter. Abendkühle ist zu ahnen.
Peter Licht singt "dann werden wir eben siegen" in meinem Wohnzimmer. In der Ferne das Rauschen der Großstadtadern.
Eine entspannte Ruhe hat sich über den Stadtteil gelegt. Hat auch mich erreicht.
Ich zähle die Kirchtürme in meinem Blickfeld. Eins, zwei, drei, vier. Die Augen streichen über die Innenstadt bis zu den Hügeln. Der Blick geht viel weiter.
Ein Schluck Rotwein. Der herbe Geschmack eines ganzen Lebensgefühls.
Euphorische Melancholie ? Sehnsüchtige Entspannung ?
Kein Gedanke. Eher ein Gefühl das sich kristallisiert. Ich gebe ihm Zeit.

Sonntag, Juli 23, 2006

Lieder bewahren Ideen

Die Nacht neigt sich ihrem Ende zu. DJ Twinset gähnt und schaut sich im Club um. Am Tresen hängen noch zwei Stammkunden die aber nie Probleme machten wenn Sie zum Gehen aufgefordert werden. Die anderen hatte er mit einer dafür gedachten schrägen Musikauswahl erfolgreich zum Verlassen des Clubs gebracht, oder sie waren den Aufforderungen der Bedienungen nachgekommen. Jetzt spielt er noch den Diggers Song von Chumbawamba, direkt nach dem Lied vom Ende des Kapitalismus von Peter Licht. Man könnte meinen er wäre Kommunist, oder Anhänger einer sonstigen alternativen Wirtschaftsform zum Kapitalismus. Aber damit kannte er sich nicht aus, sein Betriebswirtschaftsstudium war in diesem Sinne wie das Studium der katholischen Theologie -studieren um dem Herr, in seinem Fall dem Kapital zu dienen. Abweichende Geisteshaltungen sind per se falsch und von den Studenten abzulehnen.
Die Idee des Kommunismus findet DJ Twinset gut, aber andererseits hat er einen überdurchschnittlichen Lebensstandard, den ihm die ganzen gutverdienenden Gäste des Clubs finanzieren. Diese waren bereit Wucherpreise für kleine Flaschen eines durch Werbung und nicht durch Geschmack auffallendes Bieres zu zahlen.
Gerade als das Lied ausklingt und DJ Twinset beginnt die Anlage abzuschalten stürmt eine Gruppe von Menschen in das Club die offensichtlicht von einem Mittelalterfest stammen. Sie sehen aus wie Bauern, tragen realsitisch verdreckte und abgenutzte Kleidung. Die Bedienung versucht sie vergeblich zum Gehen zu bewegen. Einer aus ihrer Mitte tritt zu DJ Twinset und spricht ihn an. Erst hat er Probleme sie zu verstehen, dann bemerkt er dass sie ein ziemlich altertümliches Englisch sprechen. Der Sprecher der Gruppe ist ganz euphorisch dass ihre Bewegung wieder Fürsprecher hat, und die ganze Gruppe stimmt ihrerseits lauthals den Diggers Song an. Dann fragen Sie DJ Twinset wo es Brachland gäbe auf dem sie sich niederlassen könnten und wieder beginnen friedlich ohne Einfluss von Religion und politischer Herrschaft zu leben.
DJ Twinset ist ganz realistisch. Das können nicht die Digger von 1650 sein sagt er sich. Aber es könnte trotzdem interessant werden. Und er erklärt sich bereit die Gruppe zum Stadtpark zu führen.

Samstag, Juli 22, 2006

Eine Mohnblume macht schon einen Sommer

Die Hauptverkehrsstrasse durchschneidet die Stadt wie ein reissender Fluss, der nur an wenigen Stellen überquert werden kann. Inmitten dieser gefährlichen stählernen Strömung lagen verkehrsumtoste Inseln, auf denen sich die Natur zu behaupten versucht.
Frau Rauhnagel überquerte die sechs Fahrspuren auf ihrem Weg zur Arbeit. Obwohl sie nur leicht bekleidet war - ihre männlichen Kollegen in langen Hosen und durch Krawatten eingeschnürte Hälsen beneideten sie täglich - war ihr schon viel zu heiß. Als sie die erste Hälfte des asphaltierten Stromes überquert hat fiel ihr Blick auf den schmalen Grünstreifen - durch die Sonne ausgedorrt und von Staub überzogen war er eher graugelb als grün. Und in der Mitte sieht sie eine Blume. Zwar etwas verschrumpelt, auch staubig, aber eindeutig eine rote Blume.
Dieses Bild verläßt sie den ganzen Tag nicht. Und daher rüstete sie sich vor dem Heimgehen mit passendem Büromaterial aus und ohne genau zu wissen warum sie es tut gräbt sie auf dem Heimweg mit Schere und Lineal die Pflanze aus, die sie von Nahem als Mohnblume erkennt. Und zuhause pflanzt sie diese Blume in einen schönen Topf, nachdem sie die Pflanze vorsichtig abgeduscht und gepflegt hat.
In der Nacht träumt sie einen sehr realistischen Traum: Sie wacht auf und geht ins Wohnzimmer um etwas zu trinken. Dort steht ein Mann in schwarz-weiss, den sie von ihrem Ausstellungsbesucht sofort als Claude Monet erkennt, an einer Staffelei und malt. Er schaut die Mohnblume in ihrem Topf konzentriert an und malt sie dann ab, und das tut er immer wieder und fügt so eine Mohnblume an die andere, und hat schon einen ansehnlichen Teil des Mohnfeldes gemalt. Und die in blau-weiß an Wolken am Himmel erinnernde Glasur des Topfes findet sich als Himmel auf dem Gemälde wieder.
Als Monet Frau Rauhnagel erblickt drückt er ihr einen Sonnenschirm in die Hand und bitten sie für ihn Modell zu stehen - was sie natürlich gerne tat.
Als sie am nächsten Morgen aufwacht geht sie als erstes ins Wohnzimmer, begrüßt die Mohnblume und sucht in ihrem Monet-Bildband das Bild Mohnfeld bei Argenteuil. Sie setzt sich ans Fenster und studiert im Morgenlicht die Figur der Frau mit dem Sonnenschirm.

Freitag, Juli 14, 2006

Gedanken materialisieren lassen - ein Versuch bis 21. Juli

Dieser Blog macht die nächste Sommerpause.

You've got to take the moon from the trees

Herr Tschirner hatte es geschafft. Jeden Tag auf der morgendlichen Runde zur kleinen Grünfläche am naheliegenden Platz hatte er mit Geduld geübt, "den Kopf gerader halten. Nein, nicht nach darüber schauen !". Er hatte viele Samstagnachmittage auf dem staubigen Übungsplatz verbracht. Und das Gehen im Kreis geübt. Und jetzt war er - genaugenommen aber sein Rauhhaardackel "Robert und Grant" - Stadtteilmeister.
Aber er fühlte sich nicht besser. Eher war ihm ein Ziel verloren gegangen. Das zwar immer unwichtiger geworden war je näher der entscheidende Termin näher gerückt ist. Aber es war ein Ziel gewesen. Und Robert und Grant hatte ihm nicht ihm Stich gelassen. Weil er wusste dass es für Herrn Tschirner wichtig gewesen ist.
Er nahm Robert und Grant auf den Schoß. Wegen des Namens hat er viel Spott über sich ergehen lassen. Aber die zwei Teile machten erst das ganze Bild aus. Extravagant und ganz normal. Verzweifelt und romantisch. Oscar Wilde und E.M. Forster. Dandy und Lad.
Er blickte aus dem Fenster. Auf dem Balkon gegenüber saß eine Frau im Sommerkleid und las ein Buch. Die kannte er jetzt schon länger vom Sehen.
Robert und Grant schaute ihn an. Herr Tschirner wusste was er vermitteln wollte, was ihm seine beiden Teile jetzt einhellig rieten.

Grant McLennan, neben Robert Forster einer der beiden Sänger/Songwriter der wunderbaren Go-Betweens ist am 6. Mai verstorben. Noch 2005 haben Sie mit der CD "Oceans Apart" begeistert. Ich habe sie vor etwas über einem Jahr zuletzt live gesehen. Das war - wie ihre vielen anderen Konzerte - wieder wunderbar gewesen..
Die Überschrift ist dem Lied "Easy Come, easy go" aus dem Solo-Albums Watershed von G.W.McLennan entnommen..

Donnerstag, Juli 13, 2006

Zeitmähnagement

"Wo bekomme ich Karten für die Fußball-WM" fragte das Schaf den Touristen der gerade über den Damm geschlendert war. Der Tourist schaute das Schaf entgeistert an - nicht weil es ihn angeredet hat, denn er hatte schon immer vermutet dass die Tiere einfach nur keine Lust haben mit Menschen zu reden - sondern weil er nicht verstehen konnte wie wenig man von den wirklich wichtigen Dingen wissen kann. "Sie sind zu spät dran. Die WM ist am Sonntag zuende gegangen. Jetzt müssen Sie sehr enttäuscht sein." antwortete er mitfühlend.
"Aber nein" meinte das Schaf. "Ich hatte nur Lust etwas ungewöhnliches zu tun. Vielleicht fahre ich auch zu den Salzburger Festspielen und schaue mir den Jedermann an."
Der Tourist verstand das Schaf nicht, die WM war doch das wichtigste Ereignis seit Jahren gewesen, und wer ist Jedermann ?
"Ich muss weiter" meinte er nur schnell.
Das Schaf wiederkäute wieder vor sich hin, schaute dem Touristen nach und dachte sich dass es wirklich nach Salzburg sollte. Aber das kann es ja morgen entscheiden. Oder übermorgen. Das Schaf ging gemütlich in Richtung Damm, legte sich auf die höchste Stelle und beobachtete die Wellen. Hauptsache man weiss was man will. Jetzt im Moment, und nicht für irgendwann später.

Mittwoch, Juli 12, 2006

Ich träume Dir ein Leben

Sie sitzt mir gegenüber in der S-Bahn. Ein hell-rötlicher Typ aber ohne Sommersprossen, Ende zwanzig, die Haare zu einem kurzen Pferdeschwanz gebunden. Bekleidet mit weißem Top, halblanger Sporthose und Turnschuhen. Auf dem Schoß ein Rucksack der ihren Arbeitgeber verrät. Das macht es einfach. Eine Irin, die bei der irischen Niederlassung dieser Computerfirma mit den zwei Buchstaben gearbeitet hat, und dann schweren Herzens wegen der Karrierechancen nach Deutschland gewechselt ist. Wenn sie joggen geht versucht sie sich in ihrer Vorstellung an die Küstenwegen zu versetzen, auf denen sie als Jugendliche immer gelaufen ist wenn Sie etwas zu verarbeiten hatte.
Um den Hals eine schmale Silberkette mit fünf kleinen Sternenanhängern. An einem etwas weiteren schwarzen Lederband hängt außerdem ein Delphin aus leicht transparentem Stein. Am rechten Handgelenk eine silberne Uhr im modernen Design. Am Ringfinger der linken Hand eine massiver zweireifiger Silberring. Sie stammt also von einer kleinen Insel im Nordwesten Irlands, ist sehr naturverbunden aufgewachsen und hat ihre spirituelle Ader nicht vernachlässigt. Äußerlich passt sie in das Großstadtleben, aber innerlich fühlt sie sich hier nicht zuhause.
Außerdem gibt es dort die zurückgelassene Jugendliebe, die sie inzwischen als Liebe ihres Lebens erkannt hat.
Sie ließt konzentriert in einem Buch: Kiana Davenport, Gesang der verlorenen Frauen. Sie hat eine sehr romantische, gefühlsbetonte Ader und wird in Kürze ihrem Impuls folgen: Alles stehen und liegen lassen, auf die kleine Insel zu ihrer Familie zurückkehren um sich selber wieder näher zu sein, und dann um ihre Jugendliebe kämpfen.

Ihr Handy klingelt. Die romantische Irin unterhält sich in breitem Schwäbisch.
Aber wieso sollte Sie nicht schwäbisch können ?

Dienstag, Juli 11, 2006

Der Ältestenrat tagt

Es musste wieder ein Thema von globaler Bedeutung geklärt werden. Vogelgrippe. Wie soll weiter vorgegangen werden, was muss vor Beginn des nächsten Vogelzugs getan werden.
Lucca war als erster da - wie immer, ihm gehörte auch das Lokal, und er wohnte im ersten Stock des gleichen Hauses. Giovanni kam kurz danach, bekam sofort seinen Espresso hingestellt. Stefano verpasste trotz kürzlicher Hüftoperation diesen täglichen Termin nie - in den Marmorwerken hatte er während der 40 Jahre schliesslich auch keinen Tag wegen Krankheit gefehlt. Mit der Zeit kamen die übrigen Stammgäste dazu. Die Karten wurden ausgepackt, es ging los.
Zwischendurch musste Lucca Kunden bedienen, schließlich war dies gleichzeitig der Supermarkt, die Eisdiele und für sich in dieses kleine Dorf verirrende Touristen die Informationsstelle.
Nach einem langen Tag lauter und engagierter Diskussionen, spannender Spiele und entspanntem Abwartens verstreuten sich die Männer in Erwartung eines guten Abendessens. Die Vogelgrippe ? Heute hatte es wichtigeres zu bereden gegeben. Vielleicht morgen, vielleicht auch nie.
Lucca schenkt sich etwas Landwein ein und schaut erwartungsvoll in Richtung Küche, aus der Guilia mit der Vorspeise auftaucht.