Mittwoch, Juni 28, 2006

Selbsterkenntnis mit Problembär

Herr Beinbacher hatte es akzeptiert. Es gehört zu seinem Beruf sich von seinen Kunden duzen und mit dem Vornamen anreden zu lassen. "Stefan, die Dauerwelle machst Du mir diesmal aber etwas lockerer, ja ?". Wieviele Friseure bekommen eigentlich Magengeschwüre weil sie alles devot und mit einem Scherz auf den Lippen akzeptieren müssen ?
Und dann die Gespräche ! Über den Metzger, Victoria Beckham, den unmöglichen Deutschlehrer der begabten Tochter, Frau Merkels Frisur, Klimawandel oder Günther Jauch - er hatte gelernt seine Meinung anzupassen und den Kunden recht zu geben. Aber wenn es um seine innersten Überzeugungen ging war er zu keinen Kompromissen bereit.
"Gut dass sie endlich dieses gefährliche Vieh getötet haben !" meint die Frau der er gerade Strähnchen färbt. Seine Gesichtszüge entgleiten ihm. Er nimmt den Haarschneider, meint nur "ich muss noch mal nachschneiden", und macht sich an die Arbeit. Dann platzt er heraus: "Das war ein wunderbares Tier ! Reden Sie bitte mit mehr Respekt von ihm. Und das war Mord !".
Die Frau ist völlig konsterniert und widerspricht "aber so ein Bär ist doch gefährlich. Und was machst Du da überhaupt ?".
Herr Beinbacher ist völlig in seinem Element, färbt gerade mit grüner Farbe auf ihrem Kopf herum und ruft: "Wer den Tod von Bruno befürwortet will auch Menschen töten die illegal über die Grenze kommen !".
Die Kundin springt auf und betrachet sich fassungslos im Spiegel. Von vorne gesehen hat sie weiterhin ihre schulterlange Frisur, aber die Haare am Hinterkopf sind auf wenige Milimeter geschoren, und in Grün sind die Worte "Achtung Rassist" eingefärbt. Ihr kullern erste Tränen über die Wangen, aber ihre Wut ist stärker und sie schreit den im Moment selbstzufriedenen Friseur an: "Wer ungebeten Haare abschneidet unterstützt auch Organraub in Entwicklungsländern".
Herr Beinbacher ist sprachlos. Da hat ihn jemand mit seiner Spezialwaffe, den übertriebenen Gleichnissen geschlagen. Und je mehr er darüber nachdenkt desto weniger kann er widersprechen.
Mit einer schwarz gefärbten Kurzhaarfrisur rettet er das Seelenheil seiner Kundin. Und beschliesst an seinem eigenen zu arbeiten. Nichtsdestotrotz hängt er die in der Mittagspause erworbene Bruno-Fahne ins Schaufenster.

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