Freitag, August 11, 2006

Le Café de la Gare

Ein Provinzbahnhof in Südfrankreich. Nein, kein malerisches bunt angemaltes Häuschen mit grünen Fensterläden und Blumenschmuck, kein einzelnes Gleis das sich bis zum Horizont durch grüne Wiesen schlängelt, keine Frauen mit vollbepackten Taschen aus denen das frische Gemüse und auch mal der Kopf einer Gans vom Markt ragt.
Sondern ein langes graues, ebenerdiges Gebäude, davor vier Gleise, dazwischen staubige Bahnsteige aus abgenutztem Beton. Zwischen dem Gebäude und Gleis 1 Plastiktische und Stühle. Ein etwas verwegen aussehender Mann nähert sich und ruft in die Tür "einen Pastis, werter Freund !". Dann setzt er sich in einen der Stühle, streckt die Beine in der abgenutzten Jeans aus, streicht sich über den Dreitagesbart und rückt die Sonnenbrille zurecht. Aus der Entfernung wirkt er wie eine jüngere Version von Johnny Halliday, aber aus der Nähe fällt der zerbrechlich wirkende Körper und das sehr breite Lächeln auf, das bei vielen Gelegenheiten erscheint wie eine Sonne, die immer wieder zwischen den Wolken aufblitzt. Kurz darauf erscheint der Wirt, ein Mann in den Fünfzigern mit ausladendem Bauch, wirrer Frisur mit schulterlangen grauen Haaren und stellt mit einem "auf Dein Wohl, Marc" den Pastis vor den Kunden.
"Sie wird nicht kommen" fügt er hinzu, "und der nächste Zug kommt auch erst in 2 Stunden, heute ist Freitag".
"Das weiss ich natürlich, aber hier kann ich besser nachdenken. Hast Du etwas neues für mich ?"
Der Wirt verschwindet kurz in der Tür und kommt mit einem zerfetzten Notizbuch zurück. "Morgen sind die Perseiden zu sehen, die Sternschnuppen. Das hat mich inspiriert."
Er räuspert sich und beginnt sein neuestes Werk vorzutragen, ein ergreifendes Gedicht über Liebe, Verlust - und Sternschnuppen.
Der Gast blickt die Schienen entlang Richtung Großstadt und spürt dass er noch viele Stunden hier sitzen und warten wird, und dass es doch vergebens bleiben wird.

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