Dienstag, April 04, 2006

Mohnblumen am Frühlingshimmel


Jeden Tag saß Herr Magensdorf auf dem Klappstuhl neben seinem alten Doppeldecker, trank Tee aus seiner Thermoskanne und wartete auf Kunden. Er war schon in Rente, aber er genoß die Geschäftigkeit des kleinen Regionalflughafens, das Plaudern mit den anderen Piloten, und natürlich das Fliegen.
Früher waren Rundflüge beliebt gewesen. Wer wollte nicht die Welt von oben sehen ? Jetzt ersetzten virtuelle Überblicke das Fliegen. Aber die damit verbundenen Gefühle vom Fliegen, das Vibrieren, die Geräusche, der immer begleitende Nervenkitzel - vor dem Computer war es doch egal ob man virtuell fliegt, fährt oder taucht. Sozusagen Fortbewegung light ohne die wesentlichen Bestandteile.
So sinnierte Herr Magensdorf gerne vor sich hin. Heute war aber ein von ihm selbst ausgerufener Freudentag: Seit Jahren hat er keinen Auftrag mehr in seiner Spezialdisziplin erhalten, etwas mit verschiedenfarbigem Rauch in den Himmel zu malen. Das war nun wirklich durch nichts zu ersetzen ! Deswegen hatte er beschlossen heute sein Meisterstück abzuliefern - völlig ohne Auftrag. Und er wußte genau: Das würde bemerkt werden. Wenn zwei Leute in den Himmel schauen ist es typisch Mensch auch nach oben zu sehen - und so würde bald die ganze Innenstadt in den Himmel starren. Auf den Straßen würde es Staus geben, die Menschen würden vergessen was sie eigentlich vor hatten, warum sie es eigentlich so eilig haben.
Er schraubte die Thermoskanne zu, klappte den Stuhl zusammen, stieg in das Cockpit und strich die Vorlage glatt, die er sorgfältig befestigt hatte. Jetzt wird er das Bild die Mohnblumen von Claude Monet an den Frühlingshimmel malen.

2 Kommentare:

kein einzelfall hat gesagt…

Das, was Sie hier schreiben, werter lundi, d a s ist die gestern zitierte Kunst-Geschichte. Die Kunst der Geschichten.

Oles wirre Welt hat gesagt…

Kunstvoll geschichtete Geschichten mit der Kunst, voller Kunstgeschichte zu stecken ohne die Geschichte künstlich zu verkunsten. :)