Montag, Oktober 16, 2006

Jeder sucht den Ort seiner Träume

Der Ort seiner Träume. Jeder hat seinen eigenen denkt sich Walter Brimke, als er wie viele andere im morgendlichen Stau steht. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, Nebelschwaden ziehen durch die Stadt, es ist Herbst.
Die Plakatwand vor der Kreuzung. Palmen, blaues Meer, weißer Strand. Gibt es diese Orte überhaupt ? Wer hat sie schon jemals gesehen ? Sind sie nicht eine reine Erfindung der Touristikbranche ?
Er muß aber nur die Fahrer in den Autos um sich beobachten. Sie schauen in Richtung des Plakats, und ihre harte, enttäuschte Miene hellt sich auf, die morgendliche Verbitterung wird durch ein Leuchten unterbrochen, teilweise bricht sogar ein Lächeln hervor, ein träumerisches Gefühl streift den Gesichtsausdruck bis die Ampel grün wird und der Hintermann hektisch hupt.
Der Ort der Träume von Walter Brimke sieht ganz anders aus. Ein russisches Dorf mit schiefen Häusern. Überdimensionale Blumensträusse, freundliche Kühe, langgestreckte Liebespaare. Musikanten und Artisten. Ein Geiger im Baum, ein Mond. Der Hahn darf nicht fehlen. Und dies in einer ungewöhnlichen Farbenpracht.
Natürlich weiß er dass er nicht nach Wittebsk fahren sollte um diesen Ort zu suchen. Und auch nicht nach Saint Paul. Sondern hier bleiben. Und er wird dann gar nicht aussehen wie von Chagall gemalt. Sondern wie von Brimke gestaltet.
Eigentlich gar nicht so schwierig. Er müsste nur Zeit dafür haben. Die nächste Ampel zeigt Rot.

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