Montag, November 27, 2006

Mein Leben als Piratenbraut

Anja Brenner schiebt ihren Kinderwagen über den geteerten Waldweg. Sie ist schon sehr priviligiert denkt sie sich. Von ihrem Haus mit der gläsernen Front und dem unverbaubaren Blick über die Stadt ist sie in wenigen Minuten in dem Waldstück. Wenn sie nach dem Spaziergang mit ihrem Sohn noch Lust auf Shopping hat kann Sie in ihren Porsche Cayenne steigen und die Boutiquen unsicher machen - ihr Mann, ein erfolgreicher Wirtschaftsanwalt sorgt für einen immer gedeckte Kreditkarte.
Aber jetzt kommt sie wieder an die Stelle wo ihr Herz immer stockt, die sie aber immer wieder magisch anzieht.
Vor fünfzehn Jahren war sie mit ihren drei besten Freundinnen dort entlang geritten. Sie gingen in die gleiche teure Privatschule, waren Mitglied im exclusiven Reitclub am Rande des Waldstücks, und hatten damals schon Shopping als wichtigstes Hobby.
Und da kamen die drei wild aussehenden Jungs auf ihren Mountainbikes vorbei. Sie hielten an und riefen "schaut mal, die Ausbeutertöchter", und "schämt ihr euch nicht". Und Anja fiel der eine auf, mit den längeren Haaren, dem Che Guevara T-Shirt. Er bemerkte ihren Blick, sie schauten sich tief in die Augen.
Karin meinte zu ihren Freundinnen "zum Glück haben wir mit solchem Proletariat nicht zu tun" und ritt weiter. Anja spürte den Impuls vom Pferd zu steigen, sich mit dem Jungen zu unterhalten, genau so wie die adlige Tochter vom wilden Pirat fasziniert ist. Dann ritt sie aber doch ihren Freundinnen hinterher. Auf einem Sommerfest eines Bankiers lernte sie dann ihren jetzigen Mann kennen, brach ihr Studium ab, wurde Hausfrau.
Wäre sie glücklicher wenn sie damals abgestiegen wäre ? Wenn Sie einmal ihre abgeschottete Welt verlassen hätte ? Oder ist das ihre Jungmädchenromantik, der Junge ist Arzt geworden und wohnt in einem tollen Haus in einer ähnlichen gehobenen Wohngegend, ist genauso selten zuhause wie ihr Mann ?
Sie schiebt den Kinderwagen entschlossen an ihrem Stammspielplatz vorbei und winkt den dort ihren Nachwuchs beschäftigenden Nachbarn in ihren teuren Kostümen zu. Es ist ja nie zu spät. Jetzt fängt sie an einem Spielplatz an wo die Kinder keine Designerkleidung tragen.

1 Kommentar:

mq hat gesagt…

Sozialromantische Revolution.