Mittwoch, November 22, 2006

L'Art pour l'Art ?

"Ich heisse Chris Buntherr und bin Maler" stellt sich der junge, schlaksige Mann bei der Verwaltung des Kunstmuseums im Büro von Frau Minther vor. Und erläutert dass er sich mit einem Gemälde der Grösse 3 auf 5 Meter an der Ausstellung "Die Welt neu definiert - junge Künstler stellen sich vor" beteiligen will.
Die Mitarbeiterin des Museums zeigt sich nicht sehr beeindruckt und schiebt ihm wortlos einen Zettel mit den Bewerbungsunterlagen hin.
Chris Buntherr liest sich diese mit wachsendem Unmut durch und meint dann: "Ich bin Künstler, und bewerbe mich nicht um eine Banklehre. Wollen Sie alle kreativen Menschen beleidigen ?"
Frau Minther liebt ihre Arbeit in der Verwaltung des Kunstmuseums, aber manche der Künstler behandeln sie doch zu sehr als Inkarnation der spröden, uninspirierten und kalten Welt.
"Wir wollen unseren Besuchern etwas über die Künstler erzählen können. Aber das wichtigste sind doch Referenzen und Proben ihrer Arbeit - in Ihrem Fall also einfach ein paar Fotos ihrer bisherigen Werke."
"Ich verspreche Ihnen, ich werde ein Werk erschaffen das die Welt völlig erklärt, das ein neues Verständnis ermöglicht. Der Betrachter wird davor stehen - und plötzlich verstehen. Vorbei ist die Suche nach dem Sinn, das Streben nach einem Gottesbeweis. Und ihre Ausstellung wird ein Besuchermagnet ohnegleichen."
Der schon vorher sehr gerade und mit erhobenem Kopf stehende Maler scheint noch etwas gewachsen und deklamiert seine Sätze mit strahlendem Blick und ausschweifenden Handbewegungen.
Aber Frau Minther hatte schon so einiges erlebt. "Reichen Sie Bilder ihrer bisherigen Werke und eine zweiseitige Beschreibung ihres Vorhabens ein, sonst kann nicht darüber entschieden werden."
Jetzt wird Chris Buntherr etwas leiser. "Ich habe bisher noch nichts gemalt. Ich war noch nicht so weit, und wollte auch nicht mein Inneres an eine Fingerübung verschwenden. Wenn dann gleich richtig."
Frau Minther schaut den Maler etwas fassungslos an. "Sie haben noch nie gemalt, und wollen für diese Ausstellung ein riesiges Gemälde erstellen. Und sie denken wir würden es dann ausstellen ?" Sie kann sich ein freches Grinsen nicht ganz verkneifen. "Woher wissen Sie dass sie das überhaupt können ? Sie werden staunen wie schwer es am Anfang fällt."
"Aber ich spüre es" wirkt der Künstler jetzt schon sehr verunsichert. "Und woher wollen Sie wissen wie es Malern ergeht ?".
"Ich male selber ein wenig als Hobby. Und es hat gedauert bis mir meine Bilder gefielen. Aber ich traue mich nicht so richtig sie anderen zu zeigen." Dabei zeigt sie auf das hinter ihr an der Wand hängende Gemälde.
Mit offenem Mund starrt Chris Buntherr abwechselnd das Gemälde und Frau Minther an. "Das haben Sie gemalt ? Ich bewundere es schon seit ich hier bei Ihnen bin. Warum verschwenden Sie dann ihr Leben in einem Büro ? Sie sind zur Malerin geboren !"
Frau Minther lächelt. Und findet den Maler ohne Bilder gar nicht mehr so unsympathisch. "Jetzt schmeicheln Sie mir nicht so. Das nützt Ihnen nichts."
Aber Chris Buntherr ist wirklich begeistert. "Sie malen so wie ich es immer können wollte. Stellen Sie doch ein Bild in der Ausstellung aus ! Wenn ich Ihnen irgendwie dabei helfen kann..."
Wenig später standen zwei strahlende Personen am Kaffeeautomat: Eine gerade neu entdeckte Malerin mit dem erweckten Drang ihre Bilder nun auch zu zeigen, und ein neuer Kunstmanager mit der Vision die Welt mit den Bildern seiner Künstler zu erklären.

4 Kommentare:

kein einzelfall hat gesagt…

Wie schon der Valentin gemeint hat: "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit."

Oles wirre Welt hat gesagt…

wohingehend Arbeit seltener schön ist, nur in bestimmten Sparten schön macht und auch nur selten Kunst macht. :)

Lundi hat gesagt…

@madame: Das stimmt wohl. Gerade auch wenn es einfach aussieht.
@ole: Grins.

samoafex hat gesagt…

Das gefällt mir - folgenreiche Begegnungen! :)