Sonntag, März 05, 2006

Der Tag der Kuchenenten

In der Stadt war so etwas wie Frühling zu spüren. Wenn die Aufmerksamkeit fehlte machte alles eher einen winterlichen Eindruck: Die Schneereste am Straßenrand, die vom geschmolzenen Schnee nassen Bürgersteige, die unter den Stiefeln knirschenden Kiesel. Aber irgendetwas war da. Die Art wie die Sonne schelmisch grinste. Der unbestimmbare Duft den der kühle, aber leichte Wind über die Innenstadt verbreitete.
Und viele Menschen spürten dies. Sie strömten in den Park, schlenderten durch die Fußgängerzone, betrachteten die Früjahrsmode in den Schaufenstern der geschlossenen Kaufhäuser als Bestätigung ihrer Gefühle. Manch einer öffnete schon den Mantel vorsichtig ein Stück weit, fast nur symbolisch, aber trug so zu dem immer stärker werdenden Gefühl bei.
Durch das Glücksgefühl beseelt begab sich so mancher in das überfüllte Café um den Freudentag angemessen zu begehen. War tatsächlich ein freier Tisch gefunden, und nach langem Warten auch endlich eine abgehetzte Kellnerin erschienen, wich die Vorfreude auf eine Schwarzwälder Kirschtorte, Käsekuchen oder Mohnstritzel dem blanken Entsetzen: Tut mir leid, wir haben heute keinen Kuchen.
Weg war das Frühlingsgefühl, die Aufbruchsstimmung, die aufknospende Hoffnung. Verzweifelt wollte der Gast den Grund wissen, und wurde mit dem Hinweis auf Magen-Darm-Viren im Mehl vertröstet.
Dies war natürlich glatt gelogen, aber den wahren Grund konnte man den durch diesen Schock fast in eine depressive Winterstarre versetzten Gästen keineswegs verraten: Nicht nur die Menschen, auch die Tiere spüren das Nahen des Frühlings. Und daher waren auch schon die Kuchenenten auf dem Heimweg von Spanien nach Österreich, wo sie im Sommer in der Nähe von Konditoreien und Kaffeehäusern lebten und von den Gästen immer ausreichend mit den leckersten Backkreationen bedacht wurden. Um auf dem Rückweg aus dem Winterquartier den beschwerlichen Weg über die Alpen zu vermeiden machten sie lieber eine Schleife nach Norden und waren daher an diesem Sonntag in der typischen deutschen Stadt gelandet. Mit ihrem Instikt hatten sie zielsicher das Café erspürt, eine angelehnte Hintertür entdeckt und sich vor der Öffnung des Genuss-Tempels über die wunderbare Auswahl an Kuchen und Torten hergemacht.
Daher war der Ausfall des Sonntag-Kuchens eigentlich ein wunderbares Zeichen dass die Gefühle nicht trügen: Der Frühling kommt ! Aber so mancher Sonntags-Spaziergänger kehrte eher betrübt zu sich nach Hause zurück.

2 Kommentare:

Oles wirre Welt hat gesagt…

Es sollte mehr Kuchen und mehr Kuchenenten geben. :)

Lundi hat gesagt…

Kuchenenten sind auch immun gegen Vogelgrippe !