Mittwoch, März 29, 2006

Rückkehr nach Sommerby


Die so vertraute Landschaft zog am Fenster des Großraumwaggons vorbei. Sie wirkte wie ein in sich ruhendes Stück Natur, eine unaufdringliche Welt von ewiger Schönheit. Keine eitle, nach Bewunderung heischende Attraktion wie er sie bei seinen Reisen durch die USA gesehen hatte. Keine Postkartenidylle, keine irreal schönen Anblicke wie in der Provence. Sondern eine ehrliche, offene Landschaft. Während Lisa Ekdahl "öppna upp ditt fönster" aus seinem Kopfhörer sang, seine letzte in Schweden gekaufte CD bevor er vor über 10 Jahren seinen Heimatort verließ, erinnerte er sich an das Gefühl, nach Abschluß seines Studiums endlich die weite Welt entdecken zu wollen, bei einem internationalen Konzern seine Zukunft zu finden.
Er war durch die Welt gereist, hat auf verschiedenen Kontinenten gewohnt, war aber nie wirklich zuhause gewesen. Er hatte zwar immer mehr Geld gehabt als er ausgeben konnte, aber nie die Zeit länger als für die Weihnachtstage nach Schweden zurückzukehren.
Er hatte gedacht so sei das Erwachsenwerden halt: Man ist abgebrüht, desillusioniert, man sammelt Reize aber man erlebt nie mehr das Gefühl des Angekommenseins, des In-Sich-Ruhens, ja das Gefühl irgendwo hinzugehören. Die Stimme von Lisa Ekdahl weckte Erinnerungen - haben alle Frauen mit denen er wirklich glücklich war nicht schwedisch gesprochen ? Mit seiner amerikanischen Frau hatte er sich gut verstanden, der unspektakulären Ehe folgte eine ebenso unspektakuläre Scheidung, aber er hatte nie das Gefühl dass sie wirklich zusammen und an den Ort gehörten an dem sie gerade waren, auch wenn es ihr wunderbares Ferienhaus in Turtle Beach war.
Als seine Eltern in eines Tages anriefen und meinten, er hätte doch sicher nichts dagegen wenn sie ihr Haus in Sommerby verkaufen um in ein Seniorenwohnheim zu ziehen, widersprach er zu seinem eigenen Erstaunen. Und bevor er sich das alles erklären konnte hatte er seinem Arbeitgeber gekündigt, seine momentane Wohnung in L.A. aufgelöst und war auf dem Weg zurück nach Sommerby.
Und je näher er kam um so näher fühlte er sich seinem verlorengegangenem Ich. Er hatte die schon lange nicht mehr gespürte Ahnung nach Hause zu kommen. Er wußte noch nicht was er eigentlich machen wollte, er wußte nur daß er endlich den Ort finden würde den er die ganze Zeit gesucht hat.
Er schloß die Augen und stellte sich das weiß getünchte Haus mit dem Reetdach vor, den Garten, den er immer etwas verwildert in Erinnerung hatte, und die alten Gartenmöbel, an denen er morgen erstmal ausgiebig frühstücken würde.

1 Kommentar:

kein einzelfall hat gesagt…

Er wird die Türen abbeizen und die alten Regale im Keller ausräumen, wo sich Erinnerungen finden. Die Mariefrid aus der Nachbarschaft wird mit frisch gebackenem Apfelkuchen vorbeikommen und ihn willkommen heißen, und sie werden zusammen im wilden Garten Kaffee trinken.

Als sie gegangen ist, weiß er erst mal nicht, was er tun soll, und malt versonnen mit weißer Tünche ein / quer durch das Sommerby-O.