Sonntag, September 10, 2006

Der Brunnen am Rande des Platzes

Der Brunnen führte eine friedliche, unbeachtete Existenz an einem Platz im alten Stadtviertel, in dem noch viele Gebäude aus der Gründerzeit erhalten waren. Der Platz war eigentlich nur eine etwas größere Kreuzung, die Häuser zurückhaltend und nicht verspielt. Und der Brunnen selber auch eher sachlich gehalten. Aber doch ein erfrischender Anblick.
Seit einiger Zeit spürte der Brunnen aber eine Unzufriedenheit, eine Leere, er wollte sich neu finden. Midlife-Krise nennt man das, und er wußte dass er mit seinem Alter von um die hundert Jahren genau in dieser kritischen Phase war. Aber was soll man machen ?
Und so begann er buntes Wasser plätschern zu lassen. Die ersten Passanten reagierten besorgt, wollten die Stadtwerke anrufen. Da war ihm klar dass er mehr bieten musste damit es nicht als Fehlfunktion gedeutet wird. Und er ließ die Wasserfarbe rasch wechseln, ließ richtige Kompositionen ablaufen.
Diese neue Attraktion sprach sich schnell herum, bald kamen viele Leute die er in der Straße noch nie gesehen hatte. Abends versammelten sich dann ein paar Jugendliche um bei seinen Farben zu verweilen und die Nacht zu genießen.
Nach einer Woche wurde es ihm dann schon lästig: Der Lärm die ganze Nacht, die Zigarettenstummel in seinem Wasser, die leeren Bierflaschen auf seinem Rand. Und er stellte das Farbenspiel wieder ein.
Von Abend zu Abend wurden es weniger Besucher, und bald war die Nachtruhe wieder eingekehrt. Aber der Brunnen merkte: Jetzt wurde er wahrgenommen. Er hat sich in das Bewußtsein der Anwohner gedrängt. Nun bleibt ab und zu einer auf dem Weg zur Arbeit stehen und schaut wie das Wasser in der Morgensonne glitzert, Kinder versuchen auf seinem Rand zu balancieren, manchmal streicht eine Hand durch das Wasser.
Trotz hohem Alter weiter beachtet. Der Brunnen schöpfte neue Zuversicht.

Weiterführende Literatur hier

2 Kommentare:

mq hat gesagt…

Neulich, des Nachts, sah ich die zwei Skulpturen vom Schopenhauer und vom Beethoven im Park miteinander tanzen.

Lundi hat gesagt…

@markus: Das muss ein wunderbarer Anblick gewesen sein ! Leider trauen sich Skulpturen viel zu selten von ihren Sockeln.
@mkh: Das ist wahr. Allerdings gibt es Ausnahmen - ich denke da z.B. an Christo, der jedem ein Begriff ist. Dazu muss er das Spektakel allerdings regelmässig wiederholen.