Sonntag, September 24, 2006

Die Revolution ist abgesagt

Robert Wintersteiger hatte genug. Tag für Tag war er durch die zentralen Straßen des Stadtteils gegangen, die selbstgemalten Werbeplakate umgehängt, und hatte Flugzettel verteilt. "Revolution jetzt ! Aufruf zur Gründung der Stadtteilrepublik. Keine Macht den Bonzen - alle Macht dem Proletariat."
Die Resonanz war gering gewesen, er war aber die ganze Zeit überzeugt gewesen seine Zeit als Rentner so sinnvoll zu nutzen. Die Stadtteilrepublik war sein Lebensziel.
Allerdings war es schon immer etwas kränkend spöttisch gefragt zu werden ob er 1918 auch dabeigewesen sei. Schlimmer waren aber die mit vollen Tüten der Nobelläden beladenen Passanten, die ihn als Kommunisten beschimpften und die üblichen "dann geh doch nach drüben" Sprüche klopften. Genau gegen diese Personen mußte sich das Volk erheben. Am schlimmsten war es aber von Bewohnern des Stadtteils ihren Gästen von außerhalb als lokales Kuriosum vorgeführt zu werden.
Das waren ein paar Kränkungen zu viel. Jetzt mußte er den Prozeß beschleunigen - und die Republik gleich ausrufen. Den ganzen Nachmittag streifte Robert Wintersteiger durch sein Viertel und suchte einen geeigneten Balkon. Er sollte repräsentativ sein, an einem kleinen Platz liegen, gut erreichbar sein.
Aber als die Sonne die Dächer bereits blutrot färbte hatte er immer noch keinen geeigneten Balkon gefunden.
"Dieser Stadtteil ist einfach nicht für Revolutionen gemacht" dachte sich Robert Wintersteiger und warf die umgehängten Plakate und die Flublätter in die nächste Abfalltonne.

2 Kommentare:

der Nachbar hat gesagt…

aber so schnell gibt man doch nicht auf! wenn jeder so schnell aufgegeben hätte, sähe die welt...besser...aus...?

mq hat gesagt…

Revolutionen kommen und gehen.